Kaltgestellt: Wie der Ausländerbeirat in Maintal ignoriert wurde
- Ahmet Cetiner
- 16. Mai 2024
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Mai 2024

HINWEIS: Es gibt ein Update zu dem Artikel mit einer Antwort von Bürgermeisterin Monika Böttcher und dem Ersten Stadtrat Karl-Heinz Kaiser zu diesem Artikel. Zum lesen runterscrollen!
Am 15. Mai 2024 fand die Sitzung des Ausländerbeirats in Maintal statt.
Der einzige Tagesordnungspunkt war der Umgang der Stadtpolizei mit ausländischen Bürgerinnen und Bürgern – ein Thema, das gerade in Zeiten von rechtsgesinnten Chatgruppen in Polizeistationen und Angriffen auf MigrantInnen besondere Aufmerksamkeit verdient.
Doch was sollte eine wichtige Diskussion über den Schutz und die Rechte einer bedeutenden Bevölkerungsgruppe sein, wurde zu einer Demonstration politischer Gleichgültigkeit.
Die enttäuschende Realität
Schon bei der Eröffnung der Sitzung wurde klar, dass wichtige Vertreter fehlten. Weder die Bürgermeisterin noch der zuständige Dezernent, der Erste Stadtrat Karl Heinz Kaiser, erschienen zur Sitzung. Beide hatten im Vorfeld abgesagt.
Besonders bezeichnend war, dass keine Vertretung geschickt wurde und dass kein Protokollant anwesend war. Niemand informierte über die Absage. Dies hinterließ einen bitteren Nachgeschmack und warf Fragen auf über das Engagement und die Prioritäten der Stadtverwaltung.
Ein ungemütliches Thema?
Es war bekannt geworden, dass Karl Heinz Kaiser den Tagesordnungspunkt beim Vorsitzenden des Ausländerbeirats, Salih Tasdirek, nicht positiv aufgenommen hatte und signalisiert hatte, dass er sich nicht vertreten lassen werde.
In einer Zeit, in der rechtsgerichtete Angriffe auf Minderheiten zunehmen, ist es unerlässlich, dass die Sorgen und Anliegen des Ausländerbeirats ernst genommen werden.
Der Eindruck, dass die Stadtverwaltung wegen des ungemütlichen Themas absichtlich fernblieb, wird durch das Fehlen jeglicher Vertretung und eines Protokollanten verstärkt.
Man stelle sich vor, was geschehen würde, wenn bei einer Stadtverordnetenversammlung die Führungsspitze und der Schriftführer fehlen würden – die Kritik wäre sicherlich unermesslich. Doch beim Ausländerbeirat scheint dies keine Rolle zu spielen.
Ein fatales Signal
Der Vorsitzende des Ausländerbeirats sah sich gezwungen, die Sitzung aufgrund des Fehlens der städtischen Vertreter zu schließen und entschuldigte sich bei den Anwesenden für ihre Mühe.
Dies sendet ein fatales Signal an die mehr als 25% der Maintaler Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Es scheint, als dürften ihre Stimmen nicht zu laut werden und ihre Themen nicht zu unbequem sein. Die Vertretung von etwa 10.000 oder mehr Menschen in Maintal wird offenbar nur so ernst genommen, wie es durch das Erscheinen oder Nichterscheinen der Verantwortlichen signalisiert wird.
Das Fehlen der städtischen Vertreter bei dieser wichtigen Sitzung war eine deutliche Missachtung der Anliegen der ausländischen Bürgerinnen und Bürger in Maintal. Es zeigt, dass die Teilnahme oft nur dann erfolgt, wenn die Themen angenehmer sind als das heute zur Diskussion angesetzte Thema.
Ahmet Cetiner
Update: Reaktion der Stadtverwaltung Maintal
Nachdem mein Blogartikel "Ausgebremst: Warum der Ausländerbeirat in Maintal kaltgestellt wurde" veröffentlicht wurde, haben sich die Bürgermeisterin Frau Monika Böttcher und der Erste Stadtrat Herr Karl-Heinz Kaiser bei mir gemeldet, um ihre Sicht der Dinge darzulegen.
In ihrer gemeinsamen E-Mail betonten sie, dass die Abwesenheit der Dezernenten bei der Sitzung des Ausländerbeirats auf Terminkollisionen und nicht auf Desinteresse zurückzuführen war. Frau Böttcher nahm an einer Aufsichtsratssitzung auf Kreisebene teil, während Herr Kaiser sich im Ausland im Urlaub befand. Beide erklärten, dass eine Vertretung durch andere Mitglieder des Magistrats oder durch Beschäftigte der Verwaltung nicht vorgesehen ist, da diese keine gewählten politischen Vertreter*innen sind. Sie hoben hervor, dass die Arbeitsfähigkeit des Ausländerbeirats laut HGO nicht von der Anwesenheit des Magistrats oder der Verwaltung abhängt und dass die HGO keine Anwesenheitspflicht des hauptamtlichen Magistrats bei Sitzungen des Ausländerbeirats vorsieht.
Des Weiteren betonten sie, dass beide Dezernenten in der Vergangenheit regelmäßig an Sitzungen des Ausländerbeirats teilgenommen haben, unabhängig vom Inhalt der Tagesordnung. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass Anfang Mai eine ausführliche Kommunikation zwischen Herrn Tasdirek und Herrn Kaiser stattgefunden habe, bei der auf die Vertraulichkeit bestimmter Themen hingewiesen wurde.
In meiner Antwort habe ich meine Anerkennung für die Erläuterungen der Stadtverwaltung zum Ausdruck gebracht und betont, dass eine offene und transparente Kommunikation sowie ein starkes Signal des Interesses und der Unterstützung wichtig sind. Ich erklärte, dass die Abwesenheit jeglicher Vertretung und eines Protokollanten bei den Anwesenden den Eindruck hinterließ, dass die Anliegen des Ausländerbeirats nicht ernst genommen wurden. Dies sollte nicht passieren, besonders nicht in unserer heutigen Zeit.
Auch wenn die HGO keine Anwesenheitspflicht vorsieht, wäre die Anwesenheit oder zumindest die Vertretung (vielleicht durch ehrenamtliche Magistratsmitglieder) ein starkes Signal des Interesses und der Unterstützung. Eine mögliche Verschiebung des Termins hätte ebenfalls in Erwägung gezogen werden können. Ich betonte, dass eine offene und transparente Diskussion zu allen Themen, auch unangenehmen, wichtig ist. Öffentliche Mitteilungen über die Gründe für Abwesenheiten könnten Missverständnisse vermeiden.
Vertraulichkeit bei bestimmten Themen sollte relevante Diskussionen nicht ersticken. In der Öffentlichkeit entstand der Eindruck, dass dies der Fall war.
Abschließend habe ich die Notwendigkeit eines offenen und sachlichen Austauschs unterstrichen und erklärt, dass ich meine Zeit als Stadtverordneter nutzen möchte, um gemeinsam mit der Stadtverwaltung das Vertrauen der Bevölkerung in die kommunalen Institutionen zu stärken das beinhaltet auch daran zu arbeiten, das Potential der Teilhabe der Bürger*innen mit Migrationshintergrund stärker auszuschöpfen.
Hier der vollständige E-Mail-Austausch:
E-Mail von Monika Böttcher & Karl-Heinz Kaiser, an Ahmet Cetiner vom 17. Mai 2024 um 13:23 Uhr.
Betreff: Sitzung des Ausländerbeirats am 15. Mai // Ihr FB-Post
Sehr geehrter Herr Cetiner,
unter der Überschrift „Kaltgestellt: Wie der Ausländerbeirat in Maintal ignoriert wurde“ befassen Sie sich mit der jüngsten Sitzung des Gremiums. Dabei kritisieren Sie die Abwesenheit der Dezernenten und einer Schriftführung und werten dies als „Demonstration politischer Gleichgültigkeit“.
Gerne möchten wir die Gelegenheit nutzen, die Hintergründe zu erläutern und damit zu einer Versachlichung des Themas beitragen.
Der Ausländerbeirat ist laut HGO ein selbstständiges Gremium. Die Arbeitsfähigkeit dieses Gremiums ist nicht von der Anwesenheit des Magistrates oder Mitarbeitern der Verwaltung abhängig. So kennt die HGO anders als bei Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung oder den gebildeten Ausschüssen keine Anwesenheitspflicht des hauptamtlichen Magistrates.
Mitnichten kann von einem Kaltstellen des Ausländerbeirates durch den Magistrat der Fall sein. Das kann nur der Ausländerbeirat selbst; z.B. wegen fehlender Beschlussfähigkeit.
Bezüglich der Abwesenheit der Dezernenten ist auszuführen, dass diese bereits im Vorfeld bekannt war. Frau Böttcher hat an einer Aufsichtsratssitzung auf Kreisebene teilgenommen. Herr Kaiser befindet sich zu einem bereits länger geplanten Urlaub im Ausland.
Dass weder Frau Böttcher, noch Herr Kaiser an dem Termin teilgenommen haben, ist keinesfalls als Desinteresse am Ausländerbeirat und dessen Themen zu interpretieren. Stattdessen handelt es sich um eine Überschneidung von Terminen, die durch eine bessere Abstimmung im Vorfeld hätte vermieden werden können.
Beide Dezernenten haben in der Vergangenheit sehr oft entweder gemeinam oder alleine in Sitzungen des Ausländerbeirates teilgenommen - ungeachtet des Inhalts der Tagesordnung.
Bei politischen Terminen vertreten sich die Dezernenten gegenseitig. Dies war im Fall der Sitzung des Ausländerbeirats wegen der genannten Gründe nicht möglich. Eine Vertretung durch Beschäftigte der Verwaltung findet in einem solchen Fall generell nicht statt. Diese sind keine gewählten politischen Vertreter*innen und beziehen daher zu politischen Themen grundsätzlich nicht inhaltlich Stellung. Das ist auch der Grund dafür, dass es an diesem Abend keine Schriftführung gab. Darüber war Herr Tasdirek im Vorfeld informiert worden. Die Aussage „Niemand informierte über die Absage“ ist damit falsch.
Zu dem von ihnen als "unangehm für den Magistrat" bezeichneten Tagesordnungspunkt, gab es bereits Anfang Mai eine ausführliche Kommunikation zwischen dem Vorsitzenden des Ausländerbeirates und dem Ersten Stadtrat als Dezernenten für die Stadtpolizei. Hierbei hat der Erste Stadtrat deutlich gemacht, dass eine öffentliche Diskussion zu ausgesprochenen Verwarnungsgeldern _ z.B. wegen Fahrens ohne Versicherungsschutz - eine persönliche Angelegenheit ist und der Magistrat sich an seine Verschwiegenheitspflicht halten wird. Der von Ihnen zwischend den Zeilen suggertierte "Rechtsextremismus in Ordnungsbehörden" entbehrt hier jeglicher Grundlage .
Wir teilen Ihre Meinung, dass es in Zeiten, in denen ein Erstarken rechtsgesinnter Kräfte zu beobachten ist, einen offenen und sachlichen Austausch über Themen und Erfahrungen braucht, die Menschen mit Migrationshintergrund im Alltag beschäftigen. Deshalb nimmt die Stadt Maintal den Ausländerbeirat, dessen Mitglieder und Themen, sowie die Anliegen aller Bürger*innen ernst und scheut nicht den Dialog.
Die Gründe, weshalb das bei der jüngsten Sitzung des Ausländerbeirats nicht möglich war, haben wir Ihnen erläutert.
Mit freundlichen Grüßen
Monika Böttcher Karl-Heinz Kaiser
Bürgermeisterin Erster Stadtrat
Antwort E-Mail von Ahmet Cetiner an Monika Böttcher & Karl-Heinz Kaiser, vom 17. Mai 2024 um 17:07 Uhr.
Sehr geehrte Frau Böttcher,
sehr geehrter Herr Kaiser,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort auf meinen Blogartikel.
Ich schätze es sehr, dass Sie mir die Hintergründe erläutern, um zu einer Versachlichung des Themas beizutragen, wobei ich an dieser Stelle erwähnen möchte, dass ich meinen Beitrag keineswegs für unsachlich halte. Im Gegenteil, auch wenn ich kritisch bin, habe ich größte Sorgfalt auf eine respektvolle Ausdrucksweise gelegt.
Aber zum Thema:
Es ist gut zu wissen, dass die Abwesenheit der Dezernenten auf Terminkollisionen und nicht auf Desinteresse zurückzuführen ist. Dennoch möchte ich betonen, dass die Wahrnehmung der Mitglieder des Ausländerbeirats, meiner und anderer anwesender Bürger*innen, eine andere war.
Die Tatsache, dass keine Vertretung und kein Protokollant anwesend waren, hinterließ den Eindruck, dass die Anliegen des Ausländerbeirats weniger Priorität haben oder gar nicht ganz so ernst genommen werden.
Dieser Eindruck hätte nicht entstehen dürfen, gerade nicht in unserer heutigen Zeit.
Ich verstehe auch, dass die HGO keine Anwesenheitspflicht des hauptamtlichen Magistrats bei Sitzungen des Ausländerbeirats vorsieht, da es sich um ein selbständiges Gremium handelt. Trotzdem ist die Anwesenheit oder zumindest die Vertretung (vielleicht durch ehrenamtliche Magistratsmitglieder) ein starkes Signal des Interesses und der Unterstützung für die Anliegen der Migrant*innen in unserer Stadt.
Möglich wäre auch eine Verschiebung des Termins gewesen. Ob Sie dies in Erwägung gezogen oder angeboten haben, entzieht sich leider meiner Kenntnis.
Bezüglich der Kommunikation zwischen Herrn Tasdirek und Herrn Kaiser Anfang Mai möchte ich anmerken, dass eine offene und transparente Diskussion zu allen Themen, auch unangenehmen, wichtig ist. Zu einer transparenten Kommunikation gehört aber meines Erachtens auch die öffentliche und transparente Mitteilung an die Öffentlichkeit, dass eine Teilnahme an einer solch wichtigen Sitzung aus bestimmten Gründen nicht möglich ist, damit eben genau solche durch Hörensagen entstandenen (angeblichen) Missverständnisse nicht entstehen.
Es ist außerdem verständlich, dass gewisse Themen vertraulich behandelt werden müssen, aber dies sollte nicht dazu führen, dass relevante Diskussionen im Keim erstickt werden. Ich sage nicht, dass es so war, jedoch erweckt es in der Öffentlichkeit genau diesen Eindruck.
Wir teilen die Meinung, dass in Zeiten des Erstarkens rechtsgesinnter Kräfte ein offener und sachlicher Austausch notwendig ist. Ich möchte meine Zeit als Stadtverordneter mit Migrationsgeschichte dazu nutzen, mit Ihnen gemeinsam daran zu arbeiten, das Vertrauen der Bevölkerung in die kommunalen Institutionen zu stärken. Sie werden sicherlich bestätigen, dass die Teilhabe der Bürger*innen mit Migrationshintergrund durchaus noch ein gewisses Potenzial birgt und wir den ein oder anderen Blick darauf aufwenden können, um zu analysieren, warum das Potenzial noch nicht in Gänze ausgeschöpft ist und ob wir gemeinsam etwas daran ändern können.
Der offene Dialog, den Sie ansprechen, sollte fortgeführt und intensiviert werden, damit die Anliegen aller Bürger*innen, insbesondere in diesem Kontext, derjenigen mit Migrationshintergrund, sich ernst genommen fühlen.
Mit freundlichen Grüßen,
Ahmet Cetiner
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